Die weißes-Pferd-Geschichte

Hier ist eine Geschichte, die ich vor vielen Jahren auf Englisch gelesen habe. Ich fand sie sehr aussagekräftig.

Es geht darum, wie Männer und Frauen einander so unterschiedlich wahrnehmen.

Ich habe sie selber ins Deutsche übersetzt (für die Unvollkommenheit bitte um Entschuldigung).


Die Gedanken von Mann und Frau

Es gibt einen gewissen Mann namens Kurt, der eine Frau namens Iris attraktiv findet.

Er verabredet sich mit ihr. Sie gehen zusammen aus und alles läuft gut.

Wenige Tage später treffen sie sich wieder, diesmal zum Abendessen. Beide genießen den Abend sehr.

Sie sehen sich danach regelmäßig und nach einer Weile gehen sie mit keinen anderen aus.

Dann, eines Abends während er sie mit Auto nach Hause bringt, fällt Iris etwas ein und, ohne wirklich darüber nach zu denken, sagt sie laut, „Weißt du, heute Abend vor genau drei Monaten hatten wir unseres erstes Date?“

Darauf wird es still im Auto. Iris scheint es eine sehr laute Stille zu sein. Sie denkt, „Oh, Gott, vielleicht stört ihn das, was ich sagte. Vielleicht findet er unsere Beziehung etwas einengend.

Vielleicht denkt er, ich will ihn zu einer Art Verpflichtung zwingen. Vieleicht ist er nicht sicher, ob er bereit dafür ist.

Kurt denkt, „Drei Monate! Wow!“

Und Iris denkt, „Aber, ich bin auch doch nicht so sicher, ob mir unsere Beziehung so richtig gefällt. Manchmal wünsche ich mir auch ein bisschen mehr Freiheit. Also muss ich darüber nachdenken. Will ich die Beziehung weiterführen, stets in Richtung… welche Richtung? Bleiben wir bei unserer Beziehung wie es ist? Gehen wir in Richtung Ehe? Kinder? Ein ganzes Leben zusammen? Bin ich für so eine Verpflichtung bereit? Kenne ich diesen Mensch wirklich?“

Und Kurt denkt, „… also, das heißt es war,… lass mal schauen… Februar als wir uns kennenlernten, gleich nachdem das Auto in der Werkstatt war. Das heißt… schau mal den Kilometerzähler an… Buah! Das Auto ist für einen Ölwechsel überfällig!“

Und Iris denkt, „Das hat ihn schon geschockt, ich sehe das von seiner Miene. Vielleicht sehe ich das Ganze völlig falsch. Vielleicht will er mehr von unserer Beziehung, mehr Nähe, mehr Verpflichtung.

Vielleicht hat er gespürt – bevor ich es gespürt habe – dass ich etwas Zweifel habe. Ja, darauf wette ich! Deswegen sagt er nichts über seine eigenen Gefühle. Er hat fürchtet, dass ich ihn abweisen könnte.“

Und Kurt denkt, „Ich muss auch die Kupplung wieder untersuchen lassen. Es ist mir egal, was diese Vollidioten sagen, es schaltet einfach nicht richtig. Und wenn sie wieder sagen, es ist so wegen des kalten Wetters… Kaltes Wetter? Heute waren 30 Grad und dieses Ding schaltet wie ein Müll-Laster. Ich habe diesen Dieben schon 400 Euro bezahlt!“

Und Iris denkt, „Er ist verärgert und ich kann ihm dafür nichts vorwerfen. Da wäre ich auch sauer! Gott, ich fühle mich so schuldig, dass ich ihm das Ganze antue. Aber ich kann nichts dafür, so fühle ich mich einfach.“

Und Kurt denkt, „Sie werden wahrscheinlich sagen, die Garantie galt für nur 90 Tage. Genau das werden sie sagen, die Schweine!“

Und Iris denkt, „Vielleicht bin ich einfach zu naiv, wartend bis ein Ritter auf einem weißen Pferd vorbei reitet, wenn ich hier direkt neben einem absolut guten Mann sitze, ein Mann mit dem ich meine Zeit so gerne verbringe, ein Mann der mir schon was bedeutet und der mich echt lieb hat. Ein Mann, der jetzt leidet wegen meiner blöden romantischen Schulmädchen-Fantasien.“

Und Kurt denkt, „Garantie? Sie wollen eine Garantie? Da gebe ich ihnen eine Garantie! Sie können ihre Garantie nehmen und in ihren…“

„Kurt“, sagt Iris laut.

„Was?“ sagt Kurt, aufgeschreckt.

„Bitte quäle dich nicht so“, sagt sie. Tränen quollen in den Augen. „Vielleicht hätte lieber nicht… Oh, Gott, ich fühle mich so… (sie weint.)

„Was ist los?“ sagt Kurt.

„Ich bin so ein Dummkopf“, Iris schluchzt. „Ich weiß doch, es gibt keinen Ritter. Ich weiß das. Es ist albern. Es gibt keinen Ritter und kein Pferd.“

„Es gibt kein Pferd?“ sagt Kurt.

„Du hältst mich für einen Narr, oder?“ sagt Iris.

„Nein!“ sagt Kurt, froh, dass er endlich die korrekte Antwort kennt.

„Es ist nur, dass… es ist so… ich brauche doch etwas Zeit, “ sagt Iris.

(Es folgt eine 15-sekundige Pause während Kurt sucht so schnell wie er kann nach einer gefahrlosen Antwort. Endlich fällt ihm eine ein, die funktionieren könnte.)

„Das ist OK, Schatz.“

(Iris, tief bewegt, berührt seine Hand.)

„Oh, Kurt, geht es dir wirklich so? Ehrlich?“

„So… was?“ sagt Kurt.

„Dass ich Zeit brauche“, sagt Iris.

„Oh, äh… Ja“, sagt Kurt.

Iris schaut ihm tief in die Augen. Dies macht Kurt nervös weil er nicht weiß, was sie jetzt sagen wird (besonders sollte es etwas mit einem Pferd zu tun haben. Endlich spricht sie.)

„Danke schön, Kurt“, sagt sie.

„Ich danke dir, Iris“, sagt Kurt.

Kurt bringt Iris nach Hause. Sie geht ins Schlafzimmer und geht ins Bett, eine Seele voller Qual und Konflikt. Sie weint bis zur Morgendämmerung.

Kurt kehrt zu seiner Wohnung zurück. Er öffnet eine Tüte Erdnussflips, schaltet den Fernseher ein und schaut die Wiederholung eines Tennismatches zwischen zwei ihm völlig unbekannten Franzosen. Eine klitze-kleine Stimme will ihm sagen, das etwas sehr wichtiges zwischen ihm und Iris gerade passiert war, aber was, ist er sich ziemlich sicher, wird ihm nie einfallen. Daher entscheidet er sich, es wäre wahrscheinlich besser, keinen Kopf darüber zu machen.

(Dies ist übrigens auch seine Haltung zum Thema Welthunger.)

Am nächsten Tag wird Iris ihre beste Freundin anrufen, oder vielleicht zwei, und sie werden über die Situation mehr als sechs Stunden sprechen. Sie werden alles ganz genau immer wieder analysieren – alles was sie sagte und alles was er sagte – jedes Wort, jede Miene, jede Geste nach Signifikanz und Nuancen, und was sie für die Zukunft der Beziehung bedeuten können.

Sie werden dieses Thema hin und wieder für Wochen diskutieren, vielleicht für Monate. Sie werden nie zu einem konkreten Schluss kommen, aber das Thema wird nie langweilig.

In der Zwischenzeit, eines Tages, während Kurt mit einem gemeinsamen Bekannten Tennis spielt, wird er, direkt bevor er aufschlägt, kurz innehalten, die Stirn runzeln und den Freund dann fragen:

„Norman, hatte Iris jemals ein Pferd?“

4 Antworten auf “Die weißes-Pferd-Geschichte”

    1. Hi Jiuliena! Ja, natürlich ist das Ganze etwas überspitzt – auch zwecks Humor. Es ist generell wahr dass Frauen den Verhalten von Menschen überanalysieren – und Männer neigen dazu alles vereinfachen zu wollen.

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